Ein Piccolo auf das Leben
17. Oktober
Frau L. wird im Feierabendhaus von Ehrenamtlichen des Ambulanten Hospizes begleitet. Im im Gespräch mit ihr kamen wir auf letzte Wünsche, für die es fast zu spät erscheint – oder sie lassen sich eben doch umsetzen mit der Hilfe der Malteser mit ihrem „Herzenswunsch-Krankenwagen“ .
Dies ist in einem Artikel beschrieben, den wir hier mit Genehmigung des Autors Dr. Michael Lukas gern vom Malteser Hilfsdienst abdrucken. Das Foto zeigt Martha Lambrecht mit Enkeltochter Sarah Lambrecht (ganz links) auf dem Friedhof in Wolfershausen. Mit dabei die Malteser Vincent Teichgräber (2. von links) und Tamina Barabasch; Bildquelle:Lukas/Malteser
Der Herzenswunsch-Krankenwagen der Malteser Göttingen fuhr eine Schwerkranke zum Familiengrab Göttingen/Wolfershausen (mhd). Wie fühlt es sich an, das eigene Grab ein letztes Mal von außen zu sehen? Für Martha Lambrecht Grund genug, einen Piccolo auf das Leben zu trinken! Ermöglicht hatten der Schwerkranken diesen berührenden Moment die Göttinger Malteser. Am Samstag, 17. Oktober, fuhren sie die krebskranke Frau mit ihrem „Herzenswunsch-Krankenwagen“ von Göttingen zum Familiengrab in Wolfershausen bei Kassel.
„Eheleute Färber. Eheleute Lambrecht“ – steht auf dem schlichten Grabstein am Rande des kleinen, stillen Friedhofs von Wolfershausen. Und später hinzugefügt: „Petra Lambrecht. Geb. 17.2.1962“ „Sie wollte ihr Sterbedatum nicht auf dem Grabstein haben“, erzählt Martha Lambrecht mit schwacher Stimme über ihre Tochter Petra, die mit 32 Jahren an einem Hirntumor verstarb. Den Ehemann Günter hat Martha Lambrecht hier 2008 zu Grabe tragen müssen und auch ihre eigenen Eltern namens Färber sind hier bestattet. Bald wird man auch sie in dieses Grab versenken. Martha Lambrecht weiß das - die 91-Jährige hat Speiseröhrenkrebs im Endstadium. Ob sie die Geburt ihres Urenkelkindes im Januar noch erleben wird? Ungewiss. Man könnte jetzt in Tränen versinken, oder wie Martha Lambrecht auf der Trage liegend einen Piccolo-Sekt trinken – auf die Toten, vor allem aber auf die Lebenden und das Ungeborene von Enkeltochter Sarah, die ihre Großmutter auf dieser Reise in die Vergangenheit begleitet.
Den größten Teil ihres Lebens hat Martha Lambrecht in Wolfershausen verbracht, einem Stadtteil der Stadt Felsberg an der Eder. Hier ist sie geboren, hier lernte sie ihren Günter kennen – einen Flüchtling aus Pommern, den sie gegen den Rat der Familie heiratete. „Sie war immer eine starke und lebensfrohe Frau, die wusste, was sie wollte und sich auch viel um andere gekümmert hat“, erzählt Enkeltochter Sarah Lambrecht.
Da war es kein Wunder, dass der Herzenswunsch-Krankenwagen der Malteser schon erwartet wurde, als er am späten Samstagvormittag in die Heiligenwiesenstraße von Wolfershausen einbog. Viele ehemaligen Nachbarn waren gekommen, um Abschied zu nehmen von der Schwerkranken. Vorsichtig hoben Tamina Barabasch und Fahrer Vincent Teichgräber, beide ehrenamtlich bei den Göttinger Maltesern engagiert, Lambrechts Trage aus dem voll ausgerüsteten Krankenwagen und schenkten ihr damit einen letzten Blick auf das Haus, das Martha Lambrecht mit ihrem Günter baute, bevor sie es vor rund zehn Jahren aus Altersgründen verkaufte und nach Göttingen zog.
Weiter ging es zu Lambrechts Elternhaus, wenige Straßen weiter. Klappe des Krankenwagens auf, ein schwaches Winken der hochbetagten Dame. Die Käufer des Hauses leben nicht mehr – doch deren Kinder und Enkel erkannten Martha Lambrecht noch immer. Letzte Station war der Amselhof, ein einsames Gehöft am Lotterberg, das die Eheleute Lambrecht auf ihren ausgedehnten Spaziergängen gerne besuchten.
Die Kräfte ließen nach und am frühen Nachmittag war Martha Lambrecht wieder wohlbehalten im Göttinger Altenheim „Feierabendhaus“ angekommen, wo sie seit einigen Jahren lebt. Hinter der kleinen Reisegruppe lag eine kurze, aber bewegende Fahrt, die auch die beiden ehrenamtlichen Malteser sehr berührt hat. „Es ist immer wieder schön, ein Lächeln auf die Gesichter der Menschen zu zaubern,“ sagt der 22-jährige Malteser Vincent Teichgräber, der den Sanitätsdienst der Göttinger Malteser leitet und für den es die zweite Herzenswunschfahrt war. Tamina Barabasch, ehrenamtliche Herzenswunschfahrerin und Leiterin des Katastrophenschutzes, saß während der Fahrt gemeinsam mit Enkeltochter Sarah neben der Patientin. „Sie hat sich sehr über diese Reise gefreut,“ sagt die 23-jährige Lehramtsstudentin zufrieden.